Samstag, 21. Juli 2007

may contain nuts

Es fällt mir schwer, zuzugegen, dass zu den aufregendsten Neuerungen meines Lebens in letzter Zeit die Entdeckung der Leggings als reguläres Kleidungsstück gehört.
Ja, ich kann förmlich euer entnervtes Aufschreien hören beim Gedanken an die schlimmste Plage der 80er Jahre (nach Schulterpolstern und der Neuen Deutschen Welle), die zum einen ihr Revival in den sozial- problematischen Kreisen der Hiptards in und um Berlin- Mitte feiern bzw. in anderen sozial- problematischen Kreisen, etwas außerhalb der Stadt, niemals vergessen waren und daher auch kein Revival feiern müssen, und auch ich stand an meinem Verstand zweifelnd 30 Minuten mein Spiegelbild anstarrend und bewertend im H&M bis ich meinem verschrumpelten Forever-in-Bluejeans-Selbst einen Tritt gab und das Lycra- Bekleidungsstück erstand.
Hier die Gründe für meine Entscheidung und meine neu erwachte Leidenschaft für die bessere Radlerhose: Es ist UNGLAUBLICH BEQUEM! Im Grunde genommen fühlt es sich an, als würde man einen Schlafanzug tragen. Und das tagsüber! Auf der Straße, in der U- Bahn, auf der Arbeit, in der Kneipe. Ein Traum wird endlich war. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich die bessere Schlafanzughose nur in Kombination mit einem verzweifelt nach Jugendlichkeit schreienden grauen Ballonkleidchen kombiniere (und NEIN, ich sehe NICHT schwanger darin aus und möchte auch keine weiteren Ballon-verwandten Scherze dazu hören bzw. lesen) und damit das Problem, das sich mein Hintern nennt, versuche in Schach zu halten. Ich glaube, es funktioniert soweit ganz gut und alleine der Umstand der unglaublichen BEQUEMLICHKEIT bringt micht dazu, mein Nicole- Richie-eskes Auftreten nicht weiter zu hinterfragen. Inzwischen bin ich so sehr in meinen neuen Komfort- Aufzug verliebt, dass ich mich gestern zwingen musste, mal wieder eine Jeans anzuziehen. Die Freuden des Gummibunds überzeugen schnell, bergen aber auch Tücken...ehe man sich versieht, hat man die helfende Leibesumfangkontrollfunktion für Leute ohne Waage, den Reißverschluss, völlig verdrängt und muss mit einem Personenkran zum Arzt gefahren werden oder wird von RTL Punkt 12 gefilmt, wie man sich erfolglos versucht am Rücken zu kratzen. Das ist keine Perspektive. Obwohl: Vielleicht könnte ich damit Geld verdienen?
In other news musste ich der Anderen gestern versprechen, über die etwas anstrengende Party zu berichten, zu der ich sie gestern mitgenommen hatte. Streng genommen waren wir beide mitgenommen wurden, und zwar von der Mitbewohnerin. Meiner Mitbewohnerin, die übrigens genauso heißt wie die Mitbewohnerin der Anderen, welche uns auch begleitete.
Somit waren wir ein odd quartett mit insgesamt 2 Namen, einen Umstand, den wir nicht müde wurden, den verwirrten anderen Gästen darzulegen:
Ich : "Ich heiße X."
Die Andere: "Und ich heiße auch X."
Die Mitbewohnerin: "Ich heiße Y und wohne mit ihr *zeigt auf mich* zusammen."
Die Mitbewohnerin der Anderen: "Ich wohne mit ihr *zeigt auf die Andere* zusammen, heiße aber auch Y."
Ich: "Außerdem arbeite ich mir ihr *zeige auf die Andere* zusammen."
Die Mitbewohnerin: "Sie *zeigt auf mich* und ich studieren auch zusammen."
Die Andere: "Ja, aber sie *zeigt auf die Mitbewohnerin*, sie *zeigt auf mich* und ich studieren AUCH zusammen."

Insgesamt versuchten wir wahrscheinlich, eine seltsame Verwechslungskomödie aufzuführen (wobei wir im Grunde genommen die Auflösung vorweg nahmen), was uns nur partiell gelang, da der Großteil der restlichen Gäste entweder betrunken, völlig bekifft oder auch nüchtern nicht intelligent genug war, um unseren mannigfaltigen Verbindungen folgen zu können.
Nachdem die Mitbewohnerin und die Mitbewohnerin der Anderen in angeregten Gesprächen mit 2 Typen, die nicht nur etwas nerdy aussahen, sondern, wie sich im Nachhinein herausstellte, auch nerdy waren (sie berichteten von Signalfarben und den genaueren Spezifikationen eines Informatikstudiums), verschwanden, versuchten die Andere und ich unsere soziale Isolation mittels lauten mitsingen der ausgewählten Party- Musik zu überspielen. Es handelte sich dabei um, wie die Gastgeberin völlig zu Unrecht stolz anmerkte, die "besten 50 Hits der letzten 40 Jahre, oder so ähnlich, hehehehe". Im Grunde genommen war es, als würde man Formatradio hören, nur ohne die erholsamen Wettervorhersagen und Verkehrsmeldungen.
Ich dachte nie, dass ich nochmal eine Gruppe von Volljährigen hören würde, die "Because I got high" mitsingen würden, und das auch noch stolz.
Aber nicht nur die Musikauswahl gab uns zu denken, auch die Wohnungseinrichtung ließ darauf schließen, dass wir in einem Paralleluniversum der Solariumfans und Nagelstudiobesucher gelandet waren:
Die Gastgeberin, deren künstliche Bräune in Verbindung mit den platinblonden Strähnchen "Ballermann!" zu rufen schien, hatte, obwohl sie offiziell studiert, 2 Bücher in Sichtweite. Wahrscheinlich stolz darauf, sie irgendwann einmal gelesen (oder zumindest überflogen) zu haben, hatte sie diese in ihrer Höffner-Birkenimitat-90er-Jahre-Schrankwand platziert, in einer Glasvitrine. Es fehlte eigentlich nur noch der Neonstrahler darauf. Traurigerweise handelte es sich bei ihren beiden literarischen Schätzen einzig um "Basic Cooking 1" sowie "Cocktails". Ausgehend von ihrem Äußeren hatte die Gute das Kochbuch noch nie geöffnet, während das Alkoholfan- Buch irgendwie zerlesen aussah (kein Wunder: Sie gibt es offen als ihr Lieblingsbuch an).
Wohl in dem Glauben, dass diese "dekorativ" und "total niiiiieeeedlich" seien (könnt ihr euch die Stimme dazu vorstellen, dieser quietische Ich-bin-doch-nur-ein-Mädchen-Ton, der die Frauenbewegung jedesmal, wenn er verwendet wird, um Jahrzehnte zurückwirft?) hatte sie außerdem Teelichter in Marienkäferform sowie eine Kuscheltiersammlung in ihrem Zimmer platziert. Von den Wänden grüßten Plasteblumen der Marke "Nanu Nana" und auch ihre Gardinen schien sie dort erstanden zu haben. Ihren Klodeckel zierte ein Schonbezug in Form einer Ente (okay, das war zugegebermaßen irgendwie schon wieder cool...hätte sie es doch nur ironisch gemeint bzw. wüßte sie doch nur, was Ironie überhaupt ist!) und nur mir Mühe konnte ich die Andere davon abhalten, eine prominent platzierte Blechschachtel mit Herzchen und der Aufschrift "Ich hab dich sehr doll lieb!" (oder ähnlicher Schwachsinn) mitgehen zu lassen, um sie später rituell als Zeichen für alles Schlechte und Falsche auf dieser Welt zu vernichten.
Dafür erkoren wir einen der Marienkäfer.
Unseren Ausmarsch aus dieser Variation einer Vorhölle erfolgte standesgemäß zu "Back for Good" von Take That mittels Polonaise und halbherzigen "War nett, dich kennenzulernen!"- Sprüchen gegenüber der Gastgeberin, die demnächst in die weniger glamouröse Alkoholikerszene an die Cote d´Azur zurückkehrt um wahrscheinlich dort auf Ewigkeiten zu versacken.
Vielleicht sehen wir sie aber auch einmal wieder als neue Freundin des Kokainkönigs und "Party"- Organisators Michael Ammer oder in den Armen zweifelhafter, aber sehr neureicher Russen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, wie sie nach ihrem Sieg bei einem Wet-T-Shirt- Contest Karriere macht als RTL2- Nachrichtensprecherin, später ein Comeback bei einer Neuauflage der großartigen Pro7- Reality Show "Die Burg" (siehe auch "Die Alm") erlebt und uns schließlich beim großen "Pro 7- We are Family- PROMINENTEN- Special" (das "prominent" ist synonym mit "has been" zu setzen) berichtet, dass sie einmal, vor vielen Jahren einen lustige, kleine Marienkäferkerze auf geheimnisvolle Art und Weise verlor: Ein Verlust, über den ihr nur ihre magische Blechbüchse mit ihrer tröstlichen Botschaft hinweg helfen konnte.

Keine Kommentare: